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Cannabis Studien & Forschung

Medizinisches Cannabis beim Tourette-Syndrom – eine sinnvolle Therapieoption?

Algea Care Tourette-Syndrom
Inhaltsverzeichnis

Medizinisches Cannabis kann unter anderem bei einer Vielzahl von neurologischen und psychiatrischen Krankheitsbildern eingesetzt werden. In einer aktuellen Übersichtsarbeit sichtete die Neurologin und Psychiaterin Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl von der Medizinischen Hochschule Hannover die aktuelle Literatur zum Thema medizinisches Cannabis beim Tourette-Syndrom und wertete die Studienlage aus (1).

Das Krankheitsbild des Tourette-Syndroms

Das Tourette-Syndrom, genau genommen Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, verbinden viele Menschen insbesondere mit einer anfallsartigen Verwendung verschiedener Schimpfwörter in der Öffentlichkeit, was nicht selten zu Irritationen führt. Dabei tritt dieses Symptom, die sogenannte Koprolalie, in der Realität nur eher selten auf. Tut es das, ist es jedoch sehr charakteristisch für das Krankheitsbild. Beim Tourette-Syndrom handelt es sich um eine Störung, welche mit multiplen vokalen und motorischen Tics einhergeht. Diese sind häufig sehr komplex und können – müssen jedoch nicht – auch gleichzeitig auftreten. Typisch sind hierbei insbesondere unwillkürlich auftretende Muskelzuckungen im Gesicht und den Extremitäten, sowie vokale Tics wie plötzliches Räuspern, Schmatzen oder auch Bellen. Viele Patienten verspüren vor Auftreten der eigentlichen Tics ein Vorgefühl, den sogenannten „premonitory urge“ . Aus Gründen der sozialen Ausgrenzung durch das unübliche und oftmals als unhöflich wahrgenommene Verhalten in der Öffentlichkeit, resultiert häufig ein erheblicher Leidensdruck für die Patienten. Aus Beobachtungsstudien ist bekannt, dass sich die Erkrankung häufig in den Jugendjahren verschlimmert und bis ins Erwachsenenalter besteht. Das Tourette-Syndrom betrifft vermehrt das männliche Geschlecht und geht regelmäßig mit psychiatrischen Komorbiditäten, wie ADHS oder Asperger-Autismus einher. Die medizinische Ursache für die Ticstörung scheint ein Dopaminüberschuss in einer speziellen Hirnregion, den Basalganglien, zu sein, weswegen die medikamentösen Therapieansätze insbesondere auf einen Eingriff in den Dopaminstoffwechsel abzielen. Im Rahmen eines multimodalen Therapieansatzes werden diese mit Psychoedukation, Psychotherapie und pädagogischer Unterstützung ergänzt. Die Prognose ist zumeist nicht allzu positiv, da die Erkrankung bei fehlendem Ansprechen der Therapie häufig chronifiziert.

Studienlage zur Wirkung von medizinischem Cannabis beim Tourette-Syndrom

Prof. Müller-Vahl berichtet in ihrer Übersichtsarbeit nach Sichtung der Literatur sowohl von einzelnen Fallstudien als auch von zwei randomisierten und kontrollierten Studien, welche die Wirkung von medizinischem Cannabis auf das Tourette-Syndrom untersuchten. In diesen konnte durchgehend demonstriert werden, dass medizinisches Cannabis eine positive Wirkung auf die häufig mit dem Tourette-Syndrom vergesellschafteten Tics-Störungen hatte. Des Weiteren konnte mit einer geringeren Evidenz gezeigt werden, dass die Einnahme von Cannabinoiden auch andere Symptome wie Impulsivität, verkürzte Aufmerksamkeitsspanne sowie Zwangsstörungen reduzieren kann. Beispielhaft führt die Autorin eine randomisierte und placebokontrollierte Studie unter 12 erwachsenen Patienten mit Tourette-Syndrom an, welche entweder medizinisches Cannabis oder ein Placebo verschrieben bekamen. Es konnte so unter Verwendung einer Selbstbewertungsskala (TSSL) eine signifikante globale Verbesserung der Tics nach THC im Vergleich zum Placebo festgestellt werden. Die Verbesserung der motorischen Tics nahm zudem mit der Höhe der Dosis des THC-Präparats zu. Auch eine Linderung weiterer häufig auftretender Symptome des Tourette-Syndroms, wie etwa zwanghaftes Verhalten, konnte in entsprechenden Test signifikant nachgewiesen werden. Während 10 von 12 Patienten aus der THC-Gruppe von einer Gesamtverbesserung berichteten, taten dies aus der Placebo-Gruppe lediglich 3 von 12. Es traten zudem keine schwerwiegenden unerwünschten Nebenwirkungen auf.

Die Autorin widmete sich zudem der Frage nach dem Ursprungsprinzip der Symptomlinderung von medizinischem Cannabis beim Tourette-Syndrom. In mehreren analysierten Studien hätten sich die Patienten neuropsychologischen Tests unterzogen, wobei jeweils keine nachteilige Auswirkung auf Reaktionszeit, Konzentration oder auch Gedächtnisleistung festgestellt werden konnte. Prof. Müller-Vahl geht somit davon aus, dass die positiven Effekte von medizinischem Cannabis nicht durch eine allgemeine Aktivitätsverringerung und Sedierung zustande kommen, sondern vielmehr auf spezifischen Effekten der Cannabinoide auf bestimmte Hirnregionen beruhen. Besonders relevant könnte hierbei eine Wirkung über den Cannabinoid-Rezeptor (CB) 1 sein, welcher sich in hoher Dichte in Tourette-assoziierten Hirnarealen befindet, sowie eine komplexe Interaktion mit dem dopaminergen System aufweist, welcher auch in der Pathophysiologie der Krankheit eine relevante Rolle spielt. Eine Behandlung des Tourette-Syndroms mit medizinischem Cannabis könne laut der Autorin beispielsweise mit einer niedrigen THC Dosis von 2,5 bis 5 mg/Tag gestartet werden und je nach Wirksamkeit und Verträglichkeit stufenweise auf eine Dosis von 10-20 mg/Tag THC hochtitriert werden. Die Gabe sollte auf zwei bis drei Gaben pro Tag aufgeteilt werden. Es gebe zudem erste Hinweise, dass die Gabe eines Kombinationspräparats aus Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), wie Sativex®, ähnliche Ergebnisse in Bezug auf die Tic-Störungen zeige wie reines THC, wobei ein besseres Nebenwirkungsprofil zu erwarten wäre. Insgesamt, so schließt die Autorin ab, spricht die Studienlage für die Einnahme von medizinischem Cannabis bei therapieresistentem Tourette-Syndrom bei Erwachsenen, wobei auch die Limitationen der zur Verfügung stehenden Studien berücksichtigt werden müssen. Häufig würden diese lediglich einen geringen Stichprobenumfang, eine eher kurze Behandlungsdauer, sowie mögliche Selektionsverzerrungen aufweisen. Auch deshalb sind weiterhin großangelegte randomisiert-kontrollierte Studien vonnöten.

Zusammenfassung:

Dieser Text beschäftigte sich mit dem Thema medizinisches Cannabis beim Tourette-Syndrom. Nach einer aktuellen Übersichtsarbeit zeigen die analysierten Studien positive Effekte auf einhergehende Tic-Störungen. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass Cannabinoide auch weitere vergesellschaftete Symptome wie Zwangsstörungen oder Impulsivität verbessern können. Das medizinische Cannabis wurde im Allgemeinen gut vertragen. Daher sollte – auch nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie – bei behandlungsresistenten erwachsenen Tourette-Patienten eine THC Therapie erwogen werden.

 

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